Die allerbesten Freunde - Satiren by Langen Müller

Die allerbesten Freunde - Satiren by Langen Müller

Autor:Langen Müller
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-7844-8139-5
Herausgeber: Langen Müller


Gangsterfilm in Eigenproduktion

Kurz nach Mitternacht waren die Vorbereitungen beendet. Jossele und ich hatten unsere Verbindungen zur Unterwelt spielen lassen und vier erfahrene Profis engagiert: die Polakoff-Zwillinge, zwei in Amerika geschulte Bankräuber, »Twiggy« Tonello, den sichersten Revolverschützen des Landes, und Gabi Goldblum, genannt »der Knacker«. Sie warteten vor dem Eingang zur National-Bank in der Hauptstraße, mit schwarzen Strumpfmasken über ihren Gesichtern und griffbereiten Handwerksgeräten. Die schwere, stählerne Eingangstür wurde von zwei Scheinwerfern scharf angeleuchtet, und während »Twiggy«, der Dynamitfachmann, die Sprengladung installierte, versuchte ich die Menge der Neugierigen, die sich angesammelt hatte, zurückzudrängen.

»Bitte, machen Sie Platz! Wir sind ja nicht zum Vergnügen hier! Wir sind vom Fernsehen. Wir brauchen Platz zum Arbeiten! Bitte zurücktreten!«

Niemand rührte sich, aber fast alle wollten wissen, was hier eigentlich vorginge.

»Raubüberfall auf die Nationalbank«, sagte ich. »Das perfekte Verbrechen.«

»Ist das eine neue Serie?«

»Ja – Ich heiße Smartie. Bitte zurücktreten.«

Auf einem Klappstuhl gegenüber dem von Scheinwerfern beleuchteten Eingangstor saß Jossele, mit Schirmmütze, dicker Zigarre und Megaphon, neben sich die eindrucksvoll montierte Kamera, ohne Film. Jetzt erteilte er seine letzten Anweisungen.

»Aufgepasst, Boys! Sowie das Tor in die Luft fliegt, stürzt ihr hinein. Ich kann die Szene kein zweites Mal drehen, verstanden? Sie muss sofort in die Produktion. Gibt’s hier irgendwo Polizei?«

»Jawohl, Sir!« Ein Vertreter der Ordnungsmacht eilte herbei und salutierte. »Was kann ich tun, Sir?«

»Bitte sorgen Sie dafür, dass die Aufnahme nicht gestört wird, guter Mann«, sagte Jossele leutselig. Dann brüllte er durchs Megaphon: »Okay! Wir fahren!«

Das Auge des Gesetzes hielt die Menge in Schach und beauftragte durch sein Sprechgerät zwei Kollegen, an den beiden nächsten Straßenecken jeden Verkehr zu stoppen.

Ich sprang vor die Kamera und ließ die Holzklappe mit der Aufschrift »Bankraub – Außen, Nacht IV/1« fallen. Als es »klick« machte, setzte unser Dynamitexperte die Zündschnur in Brand. Die Kamera, von einem Cousin der Brüder Polakoff bedient, folgte surrend dem Flämmchen, das sich die Zündschnur entlangfraß.

In atemloser Anspannung starrte die Menge.

Die stählerne Tür der Nationalbank flog mit einem ohrenbetäubenden Knall aus den Angeln und krachte zu Boden.

Durch die Rauchwolke kam eine Männergestalt hervorgetorkelt: »Hilfe! Räuber! Überfall! Polizei! Hilfe!«, brüllte der Nachtwächter.

»Gut! Sehr gut!«, brüllte Jossele aufmunternd zurück. »Mach weiter, Junge! Noch etwas lauter! Mehr Panik! Smartie, bitte!«

Der letzte Zuruf galt dem einen Polakoff-Zwilling, der auf den Nachtwächter zugesprungen war und ihm die Beißzange über den Schädel schlug. Der Mann drehte sich um seine eigene Achse und brach lautlos zusammen. Smartie ist Smartie.

»Stopp!«, rief Jossele. »Gute Arbeit, Boys! Bitte, die nächste Einstellung vorbereiten!« Er war offensichtlich zufrieden.

Auch die Zuschauer waren es. Die meisten von ihnen hatten noch nie eine Fernsehproduktion gesehen und zeigten sich von der Lebendigkeit der Aktion sehr beeindruckt. Natürlich gab es auch kritische Stimmen.

»Der Kerl, der den Nachtwächter gespielt hat, war nicht sehr überzeugend«, hieß es zum Beispiel oder: »Ich habe von seinem Text kein Wort verstanden.«

Ein Kenner mischte sich ein: »Sie scheinen nicht zu wissen, dass im Fernsehen der Text erst nachher dazukommt. Man nennt das ›Synchronisieren‹.«

»Alles zurücktreten!« Das war jetzt wieder Jossele. »Ich bitte um Ruhe! Wir können hier nicht die ganze Nacht verbringen!«

In den Fenstern der umliegenden Häuser erschienen die Gesichter schlaftrunkener Bürger.



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